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Alter Maler in der Werkstatt

Hans M. Purrmann in Freundschaft gewidmet

Vom großen Fenster scheint Dezemberlicht
Auf blaues Leinen, rosigen Damast,
Goldrahmenspiegel mit dem Himmel spricht,
Blaubauchiger Tonkrug hält den Strauß umfaßt
Vielfarbiger Anemonen, gelber Kressen.
Inmitten sitzt, von seinem Spiel besessen,
Der alte Meister, der sein Antlitz malt,
Wie es der Spiegel ihm entgegenstrahlt.
Vielleicht hat er für Enkel es begonnen.
Ein Testament, vielleicht der eigenen Jugend Spur
Gesucht im Spiegelglas. Doch das ist längst vergessen,
War eine Laune, war ein Anlaß nur.
Er sieht und malt nicht sich; er wägt besonnen
Das Licht auf Wange, Stirne, Knie, das Blau
Und Weiß im Bart, er läßt die Wange glühen
Und blumenschöne Farben aus dem Grau
Des Vorhangs und der alten Jacke blühen,
Er wölbt die Schulter, baut den Schädel rund
Ins Übergroße, gibt dem vollen Mund
Ein tief Karmin. Vom edlen Spiel besessen
Malt er, als wären's Luft, Gebirg und Bäume
Malt er gleich Anemonen oder Kressen
Sein Bildnis in imaginäre Räume,
Um nichts besorgt als um das Gleichgewicht
Von Rot und Braun und Gelb, die Harmonie
Im Kräftespiel der Farben, das im Licht
Der Schöpferstunde strahlt, schön wie noch nie.

Hermann Hesse